Jan de Weryha – porta-polonica


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 Jan de Weryha vor seiner Arbeit „Hölzerne Tafel“, 2001Jan de Weryha vor seiner Arbeit „Hölzerne Tafel“, 2001. Verschiedene Hölzer, Nägel, 412 x 216 x 18 cm, aufgenommen in der Sammlung de Weryha, Hamburg, 2014

Info

Kein anderer bedeutender Künstler der abstrakten Moderne hat so konsequent in Holz gearbeitet wie der deutsch-polnische Bildhauer Jan de Weryha. Seine in den letzten zwanzig Jahren entstandenen Bodenarbeiten, freistehenden Objekte und Wandreliefs, aber auch die beiden von ihm entworfenen Denkmäler wirken wie ein Resümee auf zahlreiche Bewegungen der abstrakten Kunst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese Kunststile vom Konstruktivismus über die Konkrete KunstZEROMinimal und Post Minimal Art bis zur zeitgenössischen Installationskunst dienten ihm jedoch nur als Fundus, um jene Tendenzen zu extrahieren, die ihm eine objektive und in den künstlerischen Traditionen stehende Darstellung des von ihm gewählten Materials Holz, seiner strukturellen Vielfalt und seiner Ästhetik, ermöglichten. Gleichzeitig hat er damit allen diesen Stilrichtungen neue Lösungen in Holz hinzugefügt. Der 1950 in Gdańsk/Danzig geborene und seit 1981 in Hamburg ansässige Künstler, der an der Kunstakademie in Gdańsk studierte, hat damit einen bedeutenden Beitrag zur abstrakten Moderne geleistet. Sein Werk wird hier erstmals in ganzer Breite und bis in die jüngste Gegenwart in über einhundert Abbildungen präsentiert.

Lage im Atlas der Erinnerungsorte

Jan de Weryha – Abstrakte Moderne in Holz

Parallelen zur abstrakten Moderne sind offensichtlich. Ein Rundgang durch die geradezu musealen Ausstellungsräume in Hamburg-Bergedorf, die als Sammlung de Weryha dem Atelier des aus Polen stammenden Bildhauers angegliedert sind (Abb. 94-97) und die einen repräsentativen Querschnitt durch sein Werk der letzten beiden Jahrzehnte bieten, ruft Erinnerungen wach. Wer sich in der Kunst auskennt, sieht beim Betrachten der Werke von de Weryha Tendenzen der abstrakten Moderne vor dem geistigen Auge, die bis in das zweite Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zurückreichen. Es sind vor allem jene Bewegungen und Strömungen der abstrakten Kunst, in denen Geometrie, serielle Strukturen und eine sich wie auch immer äußernde Ausstrahlung des Materials die entscheidende Rolle spielten und die über Generationen von Künstlern hinweg ihre Bedeutung und Wirkung bis heute nicht verloren haben.

Vor allem die seit 2001 von de Weryha geschaffenen „Hölzernen Tafeln“ zeigen geometrische, gitter- oder netzartige Strukturen, wie sie in den Jahren nach 1910 in der Malerei erfunden und in den folgenden Jahrzehnten auch in der Objektkunst weiterentwickelt wurden. Bei de Weryha können diese Strukturen streng und regelmäßig sein (Abb. 45, 58, 91), oder aber Unregelmäßigkeiten aufweisen, die durch die natürliche Gestalt des Materials, seine Verarbeitung oder seine Anordnung entstehen (Abb. 34, 39, 80). Die Grundlage für regelmäßige geometrische Muster in der bildenden Kunst legte der Niederländer Piet Mondrian noch vor dem Ersten Weltkrieg in Paris, als er beschloss, sich von den gegenständlichen Formen der Kubisten Braque und Picasso zu lösen und Eindrücke aus der Natur, beispielsweise die Struktur einer Brandmauer oder den Rhythmus des Meeres, in gitterartige Muster aus Rechtecken oder kurzen, sich kreuzenden Strichen und Linien in grau- und weißtonigen Farben zu übertragen.

Die 1917 in Leiden von Mondrian, Theo van Doesburg und Georges Vantongerloo gegründete Gruppe De Stijl ersetzte Eindrücke aus der gegenständlichen Welt konsequent durch geometrische Kompositionen, um der als äußerlich empfundenen Gestalt der Dinge eine vom Menschen geschaffene reine Kunst gegenüberzustellen. Das ästhetische Gleichgewicht von Formen unterschiedlicher Größe und Farbe in der gemalten Bildfläche, bald angewandt auf Innenräume und Architektur, konnte je nach Künstler meditative Aspekte verfolgen, egalitäre Strukturen in der Gesellschaft vorbereiten oder eine dem Maschinenzeitalter und seinen anonymisierten Arbeitsprozessen angemessene Kunst repräsentieren. Serielle Muster spielten dabei noch keine Rolle. Wohl aber wurden gegenstandsfreie, mit Nummern durchgezählte Bildtitel üblich. Das hat sich bis heute in weiten Bereichen der zeitgenössischen Kunst durch den Verzicht auf Werktitel oder die Verwendung immer gleicher Bezeichnungen erhalten. De Weryha gebraucht nach einer mehrjährigen Phase „ohne Titel“ heute in der Regel die Bezeichnungen „Hölzernes Objekt“ oder „Hölzerne Tafel“, die sich nur durch die Entstehungsjahre unterscheiden.

Der möglichen Redundanz bei der ausschließlichen Verwendung von Rechtecken begegneten die Künstler des Stijl wie Bart van der Leck und Vilmos Huszar mit der Einführung von unregelmäßigen Vielecken oder Dreiecken, was auch bei de Weryha (Abb. 76, 91) zu beobachten ist. Die deutschen Nachfolger wie Friedrich Vordemberge-Gildewart, Carl Buchheister oder Erich Buchholz, jetzt Konstruktivisten genannt, ergänzten neue Farben, serielle Striche oder Kombinationen aus Rechtecken und Kreisen. Mondrian ließ in den Vierzigerjahren serielle Muster und Eindrücke aus der Umwelt, beispielsweise aus der Musik, wieder zu. So wie er den Betrachter entlang von Linien und seriellen Quadraten zu herausgehobenen Rechteckformen rhythmisch durchs Bild führte, leitet heute de Weryha den Betrachter auf einem vergleichsweise regelmäßigen Raster durch rhythmische Verteilungen zu immer neuen Formerlebnissen über die Oberfläche seiner Objekte (Abb. 34). Wer will, kann auch die Urform der abstrakten geometrischen Gestaltung, das „Schwarze Quadrat“ (1913/15) von Kasimir Malewitsch, bei de Weryha mit veränderten Maßen und in modifizierter Farbigkeit wiederfinden (Abb. 68, 70). Das monochrome Quadrat, das Malewitsch als „Empfindung der Gegenstandslosigkeit“ bezeichnete, ermöglicht de Weryha, sich ganz auf die optische und haptische Qualität des Materials zu konzentrieren. Tatsächlich spielen bei ihm das Material Holz in unterschiedlicher Farbigkeit und Gestalt sowie holzähnliche Pflanzenreste wie Rinde und Schilf die entscheidende Rolle. Durch die geometrische Anordnung löst de Weryha das Material aus seinen natürlichen Zusammenhängen und überführt es in eine objektivierte Form.

Materielle Erscheinungen waren in der Gruppe De Stijl und bei den frühen Konstruktivisten noch nicht von Interesse. In Deutschland wurde die angemessene Verwendung natürlicher Materialien in der industriellen Moderne zunächst nur im Zusammenhang mit den angewandten Künsten, also dem Kunstgewerbe, diskutiert und propagiert und zwar vom 1907 gegründeten Deutschen Werkbund. Die Objektkunst entwickelte sich in Westeuropa erst in einem langsamen Prozess von der Erfindung der Collage als künstlerische Technik durch die Künstler der DADA-Bewegung in der Zeit um 1916 über die „MERZ-Bilder“ von Kurt Schwitters bis hin zu dessen Objekt- und Raumcollagen, wie dem seit 1923 entstandenen begehbaren „Merzbau“. Konstruktivistische Plastik, in der das Material eine neue Rolle spielte, entstand jedoch sehr viel früher in Moskau. Dort entwickelte ab 1914 Vladimir Tatlin noch in enger Verbindung zum Futurismus und zum Suprematismus dreidimensionale, im Raum verspannten „Eck­-“ und „Konterreliefs“ aus gefundenen Materialien wie Holz, Eisen, Zink, Leder und Metalldrähten und propagierte eine „Kultur des Materials“.

Unter dem Einfluss der russischen Revolution entwickelten Alexander Rodtschenko und El Lissitzky geometrisch determinierte, konstruktivistische Objekte, die „gegenstandsfrei in einer materiellen Welt“ sein sollte. Emigranten aus Moskau wie Naum Gabo und sein Bruder Antoine Pevsner exportieren diese Ideen nach Berlin und Paris, Katarzyna Kobro nach Warschau, wohin sie 1922 emigrierte. Sie führten glatte, industriell gefertigte und geformte Materialien wie Plexiglas, Stahlblech, industriell bearbeitetes Glas und Holz in geometrischen Formen und reinen Farben als Äquivalent zur modernen Welt in die Bildhauerei ein. Das Staatliche Bauhaus in Weimar und Dessau bot seit 1919 eine Diskussions- und Lehrplattform für alle vorangegangenen und aktuellen Zweige des Konstruktivismus und propagierte dessen Anwendung auf sämtliche Bereiche des Lebens. Seine Resonanz prägt bis heute weite Bereiche der Kunsttheorie und unseres Alltags.

In Polen bildete sich nach ersten konstruktivistischen Arbeiten von Henryk Stażewski und der Gründung der Gruppe Blok (dt. Block) 1924 durch Stażewski, Henryk Berlewi und Władysław Strzemiński, der seit 1920 mit Kobro verheiratet war, eine eigene Tradition des Konstruktivismus, die zwar die gesamte europäische Bewegung reflektierte, vom Westen aber kaum zur Kenntnis genommen wurde. Ihr folgte in den 1960er- und 1970er-Jahren eine an den Konstruktivismus anschließende „Neo-Avantgarde“ mit Edward Krasiński in der Objektkunst, Zofia Artymowska und Jerzy Grabowski in der Grafik sowie Józef Robakowski und Ryszard Waśko in der Malerei, Film-, Video- und Objektkunst. Heute beziehen sich junge polnische Künstlerinnen wie Natalia Stachon und Marlena Kudlicka, die teilweise in Deutschland arbeiten, wieder auf die erste Generation der konstruktivistischen polnischen Avantgarde.

De Weryha wendete geometrische Formen zunächst auf die Anordnung seiner Bodenarbeiten (Abb. 14, 16, 26, 29), dann auf freistehende Objekte wie die „Hölzerne Säule“ (Abb. 38), den „Hölzernen Kubus“ (Abb. 40) und das kegelförmige „Hölzerne Objekt“ (Abb. 93) und schließlich auf die Binnenstruktur seiner „Hölzernen Tafeln“ (Abb. 7891, 92) an. Diese strengen, regelmäßigen Arbeiten weisen aber auch auf die dem Konstruktivismus nachfolgende Konkrete Kunst zurück. Durch van Doesburg eingeführt und durch die 1929 in Paris gegründete Gruppe Art concret weiterverfolgt, erhielt diese Bewegung mit den Schweizern Max Bill und Richard Paul Lohse seit 1936 und in den 1940er-Jahren ihre bis heute geltende theoretische Grundlage. Während Bill zunächst nur strenge mathematische und geometrische Systeme als Grundlage „subjektiver Formen“ in der Kunst zuließ, erlaubte er in den Sechzigerjahren auch statistisch errechnete, gleichmäßige Verteilungen, regelmäßige Gitter und „Ordnungen“. Lohse erforschte ab 1940 „serielle“ und „modulare Ordnungen“, die er noch in den 1980er-Jahren propagierte.[1]

[1] Richard Paul Lohse: Modulare Ordnungen (1985), Serielle Ordnungen (1985), in: Richard Paul Lohse 1902-1988, Ausstellungs-Katalog Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen 1992, Seite 18 f., 21 f.

Regelmäßige Gitter und Ordnungen, die aus seriell angeordneten Modulen bestehen, sind heute noch in den zuletzt entstandenen „Hölzernen Tafeln“ von de Weryha zu beobachten (Abb. 78, 91, 92). Allerdings liegen seinen Kompositionen kein ausgeklügeltes mathematisches System, sondern einfache Messungen und eine aus der Erfahrung gewonnene Arbeit mit Proportionen zugrunde, die sich zudem an den Möglichkeiten der aus dem Holz gewonnenen modularen Bauteile orientiert.[2] Eugen Gomringer, Sekretär von Bill und Erfinder der Konkreten Poesie, hat darauf hingewiesen, dass seit den 1990er-Jahren verschiedene Künstler dem zunächst strengen System der Konkreten Kunst weitere „Felder“ hinzugefügt haben, die auf erweiterte Blickwinkel, neue Wahrnehmungen und Erfahrungen mit anderen Materialien zurückzuführen sind.[3] De Weryha kommt für diesen Traditionsstrang eine sich auf den Werkstoff Holz konzentrierende Rolle zu, indem er auf der Grundlage konkreter Strukturen die Wahrnehmung des Materials optimiert.

Jene Reliefs und Objekte von de Weryha, deren Erscheinung durch eine weitgehend monochrome geometrische Oberflächenstruktur charakterisiert ist, greifen aber auch auf Erfahrungen und Erkenntnisse der 1957 von Otto Piene und Heinz Mack gegründeten Gruppe ZERO zurück, der wenig später Günther Uecker beitrat und die mit weiteren internationalen Künstlervereinigungen wie der niederländischen Gruppe Nul (dt. Null) um Jan Schoonhoven kooperierte. ZERO war kein unmittelbarer Reflex auf den Konstruktivismus und die Konkrete Kunst, agierte aber doch mit dem Hintergrundwissen der dort entwickelten Erkenntnisse. Die seriellen Lochbilder von Piene und die daraus entwickelten Objekte und Installationen dienten ebenso wie die geometrisch strukturierten und gegeneinander rotierenden, häufig kreisrunden Aluminiumreliefs von Mack dem Sichtbarmachen von Licht in Kreis-, Spiral-, Feld- und Wellenbewegungen, gefolgt von den mit weißer Farbe überzogenen Nagelbildern und -objekten von Uecker und den aus Pappe gefertigten, stereometrisch strukturierten weißen Reliefs von Schoonhoven. In Polen konstruierte Jerzy Jarnuszkiewicz Mitte der 1960er-Jahre freistehende Metallplastiken mit geometrisch angeordneten Gittern, Stäben und Lamellen, mit denen er Probleme des Raums in Bezug auf das Licht und auf rhythmische Bewegungen untersuchte. In der Grafik arbeitete seit 1968 Jerzy Grabowski mit reinweißen geometrischen Prägedrucken, die an Blindprägungen von Uecker, Schoonhoven und der Bauhaus-Lehrerin Anni Albers erinnern.

Ähnliche Strukturen und Lichteffekte kann man bei de Weryha auf dessen gelegentlich ins Weiße changierenden „Hölzernen Tafeln“ (Abb. 71, 79, 92) und den runden „Hölzernen Objekten“ (Abb. 82, 85) wiederfinden. Wer will, wird in einzelnen Arbeiten sogar Nachfolger von Ueckers Nagelbildern sehen (Abb. 68, 77), wobei für de Weryha optische und haptische Qualitäten und Effekte des Materials Holz im Mittelpunkt stehen. Piene führte 1959 mit seinen „Rauch“- und „Feuerbildern“ die Verwendung von Feuer als künstlerische Technik ein. De Weryha, initiiert durch die Terroranschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001, beschritt diesen Weg weiter, indem er die Verkohlung von Holz einsetzte, um einzelne Objekte zweifarbig zu gestalten (Abb. 28, 32, 33, 35, 43-47, 59, 62, 66, 70). Auch hierbei ging es ihm nicht in erster Linie um den Farbkontrast, sondern um das Hinzufügen einer weiteren, in natürlichem Prozess gewonnenen Erscheinungsform des Materials Holz.[4]

[2] De Weryha im Gespräch mit dem Verfasser im März 2018

[3] Anlass für Gomringers Analyse war das Werk des in Kiel tätigen Grafikers und Objektkünstlers Ulrich Behl (*1939), der konkrete Objekte aus Papier und neuerdings aus Plexiglas schafft. Eugen Gomringer: Die Prozesse der Wahrnehmung neu optimieren, in: Ulrich Behl. Modulare Ordnungen, Ausstellungs-Katalog Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 1997, Seite 10 f.

[4] Polnische Autoren haben Kongruenzen von de Weryha zur Gruppe ZERO bislang nicht gesehen. Die Galerie Kellermannin Düsseldorf, die den Künstler vertritt, zeigte ihn 2016 in einer Ausstellung mit dem Titel Zero 2.0 zusammen mit Piene, Mack und Uecker und führt ihn als ZERO-Künstler der zweiten Generation.

De Weryha hat Interpreten seines Werks berichtet, dass ihn die Kunstrichtung der Minimal Art, die sich seit 1960 mit den Protagonisten Carl Andre, Dan Flavin, Donald Judd und Sol LeWitt in New York entwickelte, besonders fasziniert.[5] Tatsächlich erinnern seine frühen, aus Holzquadern bestehenden Objekte und Bodenarbeiten, alle „ohne Titel“ (Abb. 3101419), an die aus geschichteten Bauholz-Blöcken entstandenen Objekte von Carl Andre, der jedoch ebenso mit reihenweise verlegten Metallplatten, Bauziegeln, Betonklötzen oder Drähten gearbeitet hat. Die Künstler der Minimal Art verwendeten industriell gefertigte, standardisierte Materialien wie eloxiertes Aluminium, rostfreien Stahl, Plexi- und Fiberglas, Styropor, Kupfer und Zink, Andre maschinell produzierte Werkstücke aus Holz, die jedermann als Elemente für eigene künstlerische Produktionen im Baustoffhandel hätte erwerben können. Ihnen ging es um die Wahrnehmung differenzierter Strukturen im Raum und die Wirkung von Objekt und Raum auf den Betrachter. De Weryhas Werke zeigen jedoch deutliche Spuren handwerklicher Bearbeitung mit Motorsäge, Axt oder Beitel. Bei ihm ist keine Kante der einzelnen Module gerade, industriell produzierte Werkstoffe sind ihm fremd. Vielmehr verschafft er der individuellen künstlerischen Bearbeitung des Materials Holz mit dessen optischen, haptischen und olfaktorischen Qualitäten neue Geltung.

Aber auch in diesem Fall behalten einzelne Traditionsstränge ihre Bedeutung. Während die Amerikaner die Minimal Art unter anderem von der „Endlosen Säule“ von Constantin Brâncuși und damit vom Konstruktivismus ableiteten, sehen die Europäer sie in der Tradition der Konkreten Kunst. Ohnehin sind die Übergänge fließend: Max Bills aus der Konkreten Kunst abgeleitete „Tore“ und „Pavillons“ aus geschichteten Granitquadern seit den 1980er-Jahren könnte man ebenso gut der Minimal Art zuordnen. Ähnliches gilt für das Mahnmal, das de Weryha 2012 zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter während der Naziherrschaft im Hamburger Stadtteil Bergedorf errichtete (Abb. 72a). Die quaderförmige Betonstele objektiviert das Gedenken in Gestalt einer minimalistischen, geometrischen Form ohne jeden narrativen Charakter. Damit ähnelt sie der 1987 von Sol LeWitt in Hamburg errichteten „Black Form“, einem horizontal liegenden, aus schwarzen Gasbetonsteinen gemauerten schwarzen Quader, der dem Gedenken an die von den Nationalsozialisten zerstörte jüdische Gemeinde in Hamburg-Altona gewidmet ist. De Weryha fügte in sein Denkmal jedoch ein interaktives Element ein, das der Zuordnung zur Minimal Art widerspricht: Mit einem Sehschlitz und einem darin enthaltenen facettierten Edelstahlzylinder, der den Blick auf die dahinter liegende Umwelt vielfach bricht, symbolisiert er die eingeschränkte Sicht der unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehaltenen Zwangsarbeiter und fügt so dem objektivierten Gedenken eine Erfahrungsebene hinzu (Abb. 72b).

[5] Wohl zuerst ausführlich erwähnt und diskutiert von Rafał de Weryha-Wysoczański, Kunsthistoriker und Sohn des Künstlers, in dessen Eröffnungsrede zur Ausstellung Jan de Weryha – Objekte, Galerie Kunst im Licht 1998 in Hamburg; PDF-Auszug verfügbar auf der Webseite des Künstlers 

Die Intensivierung der Sinne, das Schärfen der Empfindungen für Phänomene des Materials, das für de Weryha entscheidend ist, war schon bei den Künstlern der Post Minimal Art seit Ende der 1960er-Jahre zu beobachten. Richard Serra etwa schleuderte flüssiges Blei in Raumecken, um mit den erstarrten Blöcken die Verwandlung und Präsenz des Materials im physikalischen Prozess sichtbar zu machen. Ähnlich legt und schichtet de Weryha gespaltene Holzscheite, Äste und Rinde in Ecken, am Wandverlauf und um Pfeiler herum (Abb. 7, 54, 55, 65) und macht mit der dynamischen Form den Arbeitsprozess, mit jedem einzelnen sorgsam platzierten Teil die Wertschätzung des Naturprodukts erfahrbar. Nach dem Vorbild von Barry Flanagan, man denke an dessen mit Sand gefüllte „Four Rahsb“ und „Four Casb“, gestaltete de Weryha konische amorphe Monolithe, die er jedoch aus dem Holz schlug (Abb. 1, 12, 20, 21). Wie Ulrich Rückriem, der mit Dolomit- und Granitblöcken arbeitete, sägte de Weryha seine Formen auseinander und fügte sie bündig wieder zusammen.

Rückriem, der für de Weryha zu den von ihm am meisten geschätzten Bildhauern gehört,[6] legte mit einfachen, aber logisch und systematisch erprobten Arbeitsvorgängen wie dem Bohren, Brechen, Sägen und Spalten den inneren Aufbau des Steins frei. Ähnlich basiert de Weryhas Schaffen nach eigener Aussage auf „drei Säulen, das sind der Schnitt, der Bruch und das Spalten. Begriffe wie Rhythmen, Spannungen, Maße, Dichte, Struktur sind ständig präsent.“[7] Grundlegende Unterschiede gibt es dennoch: Während Rückriem die gespaltenen und gebrochenen Einzelteile so dicht zusammenrückte, dass die Masse des Steins erfahrbar bleibt, konzentriert sich de Weryha auf die vielfältigen Arbeitsvorgänge am Material Holz. Mit Bruchkanten erzeugt er dramatisch bewegte Oberflächen (Abb. 69, 80, 90) und Binnenstrukturen (Abb. 82, 84, 87-89) und exemplifiziert das Verhalten des Werkstoffs beim Brechen und Spalten an jedem einzelnen Modul. Bei seinen zuletzt entstandenen „Hölzernen Tafeln“ rückt er die Spalte so weit auseinander, dass grafische Strukturen entstehen und Einblicke in den inneren Aufbau der Module möglich werden (Abb. 75, 78, 799192). „In meinen Holzobjekten“, sagt de Weryha, „gibt es keine Geschichten, keine Deutungen sind dort anwendbar. Sie sind sauber und klar, es geht nur um die Materialität des Holzes.“[8]

Die Verwendung von Holz und anderen natürlichen Materialien in der modernen Bildhauerei und Objektkunst hat in Polen eine eigene Tradition. Ab 1960 wurden vor allem von der Staatlichen Oberschule für künstlerische Techniken in Zakopane/Państwowego Liceum Technik Plastycznych w Zakopanem Überlieferungen aus der Volkskunst wiederentdeckt und weitervermittelt. Auf dieser Grundlage schufen Antoni Rząsa, Stanisław Kulon und Józef Kandefer figürliche Skulpturen aus Holz, die expressionistische oder kubistische Tendenzen wieder aufnahmen. Adam Smolana, der Lehrer von de Weryha, abstrahierte Körperformen und führte sie, vergleichbar mit Henry Moore, zu größeren Massen zusammen. Władysław Hasior, ebenfalls Schüler in Zakopane, arbeitete mit Fundstücken aus Holz und schuf daraus surrealistische Assemblagen. Jerzy Bereś, in Krakau ausgebildet, gestaltete seit 1960 Objekte aus roh behauenem Holz, Juteseilen, Steinen, Leder und Stofflappen, die an primitive bäuerliche Geräte erinnern und ethnologische Überlieferungen oder archaische Mythen beschwören.

[6] Jan de Weryha im Interview „Offenbarungen in Holz“ mit Mariusz Knorowski 2006 (Ausstellungs-Katalog Jan de Weryha-Wysoczański. Objawienia w drewnie, Orońsko 2006, Seite 6/10); Auszüge online auf http://www.kultura-extra.de, drittletzter Absatz

[8] Ebenda

Andere polnische Bildhauer wandten sich bewusst von „edlen“ Materialien ab und verfolgten ungegenständliche Tendenzen. Regelmäßig nahmen sie an Symposien und Ausstellungen im westlichen Ausland teil. Jarnuszkiewicz entwickelte raumgreifende abstrakte Plastiken aus zusammengeschweißten Metallblechen. Magdalena Abakanowicz, die eigentlich Malerei studiert hatte, fand neue abstrakte Gestaltungen in der Textilkunst, indem sie ein „raues“ Material, Sisal, wie es für Schiffstaue verwendet wird, zu raumfüllenden, frei von der Decke hängenden Tapisserien, den „Abakans“, verwebte, für die sie 1965 auf der Biennale von Sao Paulo den Grand Prix erhielt. Auch von den polnischen Akademien ging eine Erneuerung der Textilkunst aus. Dort entstanden dreidimensionale Wandreliefs und raumfüllende Environments, die Bereiche der Bildhauerei besetzten. Die Oberflächen dieser abstrakt und frei gestalteten Arbeiten übertrugen das All-over der Malerei von Jackson Pollock oder des europäischen Informel in Strukturen aus natürlichem Material. Ähnlich rau strukturierte Reliefs findet man zuletzt bei de Weryha bis hin zum wandfüllenden Format, wenn er die eigentlich zugrunde liegenden geometrischen Gitter zu einem All-over aus eng nebeneinander gesteckten Bruchstücken auflöst (Abb. 37, 39, 42, 52, 80, 90).

Zu einem „unedlen“ oder „armen“ Material wird Holz, das in Mitteleuropa bekanntlich seit weit über eintausend Jahren in der figürlichen Bildhauerei verwendet wird, erst, wenn es als Fundstück aus der Natur oder aus dem Alltagsgeschehen Eingang in die Kunst findet. Führende Künstler der italienischen Kunstrichtung der Arte povera arbeiteten seit Beginn der 1960er-Jahre mit gefundenen Materialien aus der Natur, aber auch mit allen nur denkbaren Stoffen aus dem Alltag. Sie zeigten, dass auch „arme“ Materialien mit Mythen, Geschichten, Metaphern und Symbolen aufgeladen werden können und traten damit der traditionellen Hierarchie von Werkstoffen, dem Massenkonsum oder auch der glatten Minimal Art entgegen. Mario Merz arbeitete von Beginn an mit Reisigbündeln, die er zu Gruppen an der Wand aufstellte, auf dem Boden auslegte oder aus ihnen seine bekannten „Iglus“ konstruierte, aber auch mit vielen anderen Materialien. Giuseppe Penone verwendet bis heute für seine Installationen direkt aus der Natur gewonnene Baumstämme, deren natürliche Gestalt auch nach intensiven künstlerischen Eingriffen sichtbar bleibt.

Im Werk von de Weryha haben die vertikal oder horizontal geschichteten Arbeiten, bei denen das Holz nur grob segmentiert ist und seine natürliche Schönheit und Vielfalt offenbart (Abb. 3, 9, 17, 24), dann die bereits erwähnten Bodenarbeiten aus Ästen und Rinde (Abb. 54, 55, 65) sowie das „Hölzerne Objekt“ aus geschichteten Birkenästen und -reisern (Abb. 57) die engste Verbindung zur Arte povera. Dabei muss kaum betont werden, dass de Weryha Holz keineswegs als „armes“ Material empfindet, sondern dessen Reichtum an Formen, Farben und Strukturen geradezu zelebriert. Ähnlich wie die Künstler der Arte povera, die den hohen narrativen und emotionalen Wert der von ihnen verwendeten Materialien betonten, verweist auch er auf den kulturkritischen, gesellschaftlichen Aspekt: Ihm gehe es darum, dass durch seine Arbeit mit dem Material Holz, dem eine wichtige Rolle als Katalysator im Kreislauf der Natur zukomme, „in einer Gesellschaft, die sich leider nur am Konsum und vor allem am Gewinn orientiert, wenigstens für einen kurzen Moment die Menschen zum Nachdenken“ gebracht würden.[9]

[9] Ebenda

Frühere Autoren, die die heute erreichte Bandbreite von de Weryhas Arbeiten noch nicht kennen konnten, haben angesichts seiner kreisrunden und teilweise kegelförmig geschichteten Bodenarbeiten aus Holz- oder Rindensegmenten (Abb. 16, 22, 23, 25, 26, 29) auf Anregungen aus der Land Art, vor allem von Richard Long und Robert Smithson, verwiesen.[10] Ebenfalls Ende der 1960er-Jahre übertrugen US-amerikanische Künstler Formen der Minimal Art in kolossalen Ausmaßen in die Wüsten und Gebirge Nordamerikas. Sie markierten Spuren ihrer Wanderungen, gestalteten mit Baumaschinen Schluchten, Dünen und Wasserläufe um und schufen Steinsetzungen in Gestalt von Kreisen und Spiralen, man denke an „Spiral Jetty“ 1970 von Smithson, die wie prähistorische Kultstätten wirkten. Auch diese Künstler gestalteten einen Gegenentwurf zur industriellen Konsumwelt, indem sie in und mit der Natur arbeiteten, Erdgeschichte freilegten und ihre Arbeiten erneuter Korrosion aussetzten. Hier liegt jedoch der entscheidende Unterschied zu de Weryha: Seine Arbeiten sind grundsätzlich für den Innenraum konzipiert und spielen sich nur in wenigen Fällen und vorübergehend im Außenraum ab (Abb. 60, 61). Einzelne seiner Bodenarbeiten konnte man aber in Ausstellungen aufgrund ihrer Größe nur durch Abwandern erfahren wie „Orońsko“ 2006 (Abb. 53) und „Chilehaus“ 2011 (Abb. 67). Auf der anderen Seite hat Richard Long seine meditativen, Welterfahrung vermittelnden Kreise aus Steinen, Torf, Treibholz, Ästen, Feuer- und Brandholz oder Fluss-Schlamm, den er zu einem kreisrunden Wandtableau verarbeitete, auch für Ausstellungen und Museumsräume konzipiert um sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Die Verbindung von de Weryha zur Land Art besteht nicht nur im Formalen, sondern vor allem in der Liebe zu Welt und Natur.

De Weryhas 1999 geschaffenes Denkmal „In Erinnerung an die Deportierten des Warschauer Aufstandes 1944“ für die KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Abb. 18a-c), das aus dreißig in Reih und Glied platzierten grob behauenen Granitblöcken auf einer Fläche aus polierten Platten besteht, wirkt zwar wie eine frei konzipierte Arbeit der Land Art, ist jedoch ein Werk der Denkmalkunst. Symbolisch verweisen die einzelnen Steinblöcke auf die „Vielfalt und Unverwechselbarkeit“ der menschlichen Individuen, ihre regelmäßige Ausrichtung auf den „totalitären, perfekt organisierten Apparat“ der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der mit Granitschotter ausgelegte Fußweg zum Mahnmal verkörpert den Weg, „den die zum Tode Verurteilten zurücklegen mussten“.[11] An Rückriem erinnert bei dieser Arbeit allenfalls das Material. Wichtiger ist aber die Tatsache, dass in Polen anders als in den übrigen sozialistischen Ländern schon Mitte der 1960er-Jahre abstrakte Denkmalkunst an ähnlich belastetem Ort möglich war. Dort errichteten Franciszek Duszenko, Adam Haupt und Franciszek Strynkiewicz 1964 für das Denkmal zu Ehren der Opfer des Vernichtungslagers Treblinka ein Feld aus dreitausend unregelmäßig gespaltenen Steinblöcken, das Gedanken an die „überzeitliche Dauer“ des Gedenkens hervorrufen und „die tragische Anwesenheit der in den Tod gehenden Menschen spürbar machen“ sollte.[12]

[10] Jan Stanisław Wojciechowski 2005, S. 5/9 (siehe Literatur; Text online verfügbar auf der Webseite des Künstlers, polnisch, Seite 2/englisch, Seite 2); Dorota Grubba 2006, Seite 4112/4115 (siehe Literatur, online verfügbar auf der Webseite des Künstlers). Maryla Popowicz-Bereś bezeichnet in ihrer 2014 entstandenen Magisterarbeit (siehe Literatur) sogar Richard Long als hauptsächliche Inspirationsquelle für de Weryha, Seite 43 (online verfügbar auf der Webseite des Künstlers; deutsche Übersetzung ebenda, Seite 39)

[12] Wojciech Skrodzki, in: Andrzej Osęka/Wojciech Skrodzki: Polnische Bildhauerkunst der Gegenwart, Warschau 1977 (deutsch), Seite 33

Jan Stanisław Wojciechowski, Bildhauer und Professor für Kulturanthropologie in Warschau, hat anlässlich einer Einzelausstellung von de Weryha in der Galeria Szyb Wilson/Galerie Schacht Wilson 2005 in Katowice darauf hingewiesen, dass im Polen der 1970er-Jahre, also zur Studienzeit von de Weryha, die internationale moderne Kunst an den Akademien und von Galerien in großer Breite zur Kenntnis genommen worden sei. Vor allem junge Künstler hätten die verschiedenen Tendenzen der zeitgenössischen Kunst ohne Zurückhaltung für ihre eigenen Bedürfnisse adaptiert. Sie hätten sich die besten Beispiele der Konzeptkunst, der Minimal Art, von Performance und Neuen Medien zunutze gemacht, um sie mit persönlichen Motiven anzureichern, sie in andere politische oder anthropologische Zusammenhänge zu integrieren und sich neuen Materialien oder der Natur zuzuwenden: „Jan de Weryha-Wysoczański left Poland with a baggage of European intellectual and artistic values.“[13]

Anlässlich der Ausstellung in Katowice, die in der Maschinenhalle eines ehemaligen Bergwerks stattfand, vermutete Wojciechowski, de Weryha würde mit seiner Kunst aus einer „romantischen Position“ heraus argumentieren, indem er seine Einsichten in die Natur in bewusstem Gegensatz zur technischen Welt oder zur „späten Moderne, also der Welt der Globalisierung, des beschleunigten Konsums und der Algorithmen“ präsentieren würde.[14] Das wiederum rückt den Künstler in einen Zusammenhang mit der Installationskunst, die traditionell auf vorgefundene oder bewusst ausgesuchte Räume reagiert. Auch Aleksandra Warchoł stellt in ihrer 2011 an der Universität für Technologie/Politechnika Radomska im. Kazimierza Pułaskiego in Radom verfassten Magisterarbeit fest, de Weryha schaffe außer seinen Holzobjekten auch „Anordnungen im Raum“.[15]

Zwar fungierte die Maschinenhalle in Katowice für den Künstler lediglich als Ausstellungsfläche, jedoch lassen sich auch andere Argumente dafür finden, dass er mit einzelnen Installationen bewusst auf Räume reagiert. So integrierte er blockartige oder runde Holzsegmente in Türöffnungen oder Wandnischen (Abb. 3, 9, 48), richtete Bodenarbeiten bewusst an der Architektur aus (Abb. 6, 17, 59) oder fügte sie in architektonische Elemente ein (Abb. 8, 14). Auch die bereits genannten „Hölzernen Objekte“ in Ecken, an Wänden entlang oder um Pfeiler herum (Abb. 7, 54, 55, 65) oder die an Wandabschnitten aufgeschichteten oder gruppierten Arbeiten „ohne Titel“ (Abb. 11, 30) gehören hierzu. Als ephemere Installationen in situ, wie man heute sagen würde, die sich konkret auf Architektur bezogen, waren auch die kreuzförmige Bodenarbeit aus kurzen Birkenstämmen für die Ausstellung Objawienia w drewnie (dt. Offenbarungen in Holz) 2006 im Zentrum für polnische Skulptur in Orońsko/Centrum Rzeźby Polskiej w Orońsku (Abb. 53) und die vom Künstler als „Temporäre Raumerfahrung“ bezeichnete Bodenarbeit aus gelegten Birkenstammsegmenten konzipiert, die sich unter dem Titel „Chilehaus five lines“ anlässlich der Hamburg Art Week 2011 in fünf parallelen Linien durch Räume des Hamburger Chilehauses schlängelte (Abb. 67).

[13] Jan Stanisław Wojciechowski 2005, S. 4/8 (siehe Literatur; Text online verfügbar auf der Webseite des Künstlers, polnisch, Seite 1/englisch, Seite 1)

[14] Ebenda, Seite 7/11 (online polnisch, Seite 4/englisch, Seite 4)

[15] Aleksandra Warchoł 2011, Seite 10 (siehe Literatur; online verfügbar auf der Webseite des Künstlersdeutsche Übersetzung, PDF-Seite 10)

Sogar Verbindungen von de Weryhas Arbeiten zur Aktionskunst und zu Happenings der 1970er-Jahre sind gezogen worden.[16] Der polnische Bildhauer Jerzy Bereś trat ab 1968 auch als Aktionskünstler auf, setzte seine ethnografisch inspirierten hölzernen Assemblagen und dadaistisch anmutenden Fahrzeuge in rituellen Happenings und Performances ein oder bearbeitete in künstlerischen Aktionen, die sich gegen die Naturzerstörung richteten, Fundstücke aus der Natur, die noch Jahrzehnte später als Einzelobjekte in Ausstellungen zu sehen waren. Von Tadeusz Kantor, der seit 1961 auf dem Theater mit „armen“ und „dürftigen“ Requisiten als Träger lebensnaher Objektivität arbeitete, blieben von Bühnenaufführungen und Happenings Assemblagen wie seine Werkgruppe der „Emballages“ übrig, aus den Happenings von Edward Krasiński konstruktivistisch anmutende Objekte, die mit Bedeutungen aufgeladen waren und „Energien freisetzen“ sollten. Auch diese Objekte gelangten später in Ausstellungen, Sammlungen und Museen, ähnlich wie zahlreiche Objekte von Joseph Beuys, die nach dessen Aktionen aufgehoben und dadurch zu autonomen Kunstwerken wurden. De Weryha hat zwar weder Aktionen, Happenings noch Performances veranstaltet, jedoch wirken vor allem seine in aufwändiger Kleinarbeit platzierten Bodenarbeiten nicht zuletzt durch den rauen Charakter des Materials und durch die Verwendung von Fundstücken aus der Natur als Ergebnisse prozessualer künstlerischer Vorgänge.

Wojciechowski hat wohl als erster darauf hingewiesen, dass de Weryha in einigen seiner Wandobjekte das Holz wie Bücher anordnen und so „kraftvolle, mysteriöse Bibliotheken“ gestalten würde (Abb. 32, 35, 45, 46).[17] Eine Ausstellung in der Patio Kunstgalerie/Patio Galeria Sztuki in Łódź im selben Jahr, in der Bodenarbeiten und freistehende Objekte zu sehen waren, trug dann auch den Titel Drewno-archiwum (dt. Holz-Archiv), eine Ausstellung 2009 in der Städtischen Galerie in Danzig/Gdańska Galeria Miejska die Überschrift Tabularium, ein Begriff, der in römischer Zeit Räume und Gebäude zum Aufbewahren von Urkunden und Archivalien bezeichnete. Einige der „Hölzernen Tafeln“, so Urszula Usakowska-Wolff im Katalog der Ausstellung in Łódź, würden bei näherer Betrachtung wie Holzbibliotheken, Xylotheken, des 18. Jahrhunderts wirken. Andere Arbeiten, die aus Tausenden vielleicht Jahrhunderte alten Holzstücken bestünden, seien ein „einzigartiges Archiv der zeitlosen Zeit“.[18] Zur Ausstellung in Danzig schrieb Grażyna Tomaszewska-Sobko, de Weryhas Arbeit sei „ein Versuch, das aus der Welt der Natur stammende Material zu archivieren“. Katarzyna Rogacka-Michels bemerkte, es entstehe „der Eindruck einer Morphologie des Holzes oder eines Holzarchivs.“[19]

[16] Maryla Popowicz-Bereś, Magisterarbeit 2014, Seite 53 (siehe Literatur; online verfügbar auf der Webseite des Künstlersdeutsche Übersetzung, Seite 48)

[17] Jan Stanisław Wojciechowski 2005, S. 5/9 (siehe Literatur; Text online verfügbar auf der Webseite des Künstlers, polnisch, Seite 2/englisch, Seite 2)

[18] Urszula Usakowska-Wolff 2005, letzter Absatz (siehe Literatur; Katalog polnisch/englisch verfügbar auf der Webseite des Künstlers)

[19] Ausstellungs-Katalog Tabularium 2009, Seite 7, 11/13 (siehe Literatur; Text von Grażyna Tomaszewska-Sobko verfügbar auf der Webseite des Künstlers, polnischdeutsch; Text von Katarzyna Rogacka-Michels ebenda, polnischdeutsch, Seite 5)

Auch diese Konnotationen zu de Weryhas Werk haben eine Entsprechung in der Kunst des 20. Jahrhunderts. In der Folge von Post Minimal Art und Arte povera begannen Künstler in den 1970er-Jahren Spuren zu sichern und Relikte privater oder gesellschaftlicher Lebensäußerungen zu sammeln. Nikolaus Lang trug Fundobjekte von Verstorbenen, Christian Boltanski Überreste seiner Kindheit, Raffael Rheinsberg Hinterlassenschaften aus industriellen Arbeitsprozessen zusammen. Aus dieser Sammeltätigkeit entstanden „Archive“ und „Inventare“ als Bodenarbeiten, in Schränken und Regalen, von Boltanski sogar fiktive Archive aus beschrifteten, aber leeren Metallkästen, die Schicksale von Menschen repräsentieren und die Erinnerung an sie bewahren sollten. De Weryha hat Holz jedoch weder systematisch gesammelt noch die verwendeten Materialien didaktisch oder in Reihen präsentiert. Seine künstlerischen Überlegungen konzentrieren sich darauf, das Material in seinem Ursprung zu ergründen, im „Begreifen seiner Struktur und seines Kerns“. Er versucht es durch einfachste Eingriffe so zu beeinflussen, dass es seine Identität nicht verliert und mit diesen Aktionen, wie er selbst sagt, das „Archaische im Holz“ zu zelebrieren.[20] Durch die Arbeit über Jahrzehnte ist dann so etwas wie ein „Archiv“, eher eine museale Sammlung seiner Werke, entstanden, die dann folgerichtig über die Erscheinungsformen des Materials und die Arbeitsschritte des Künstlers Auskunft gibt.

Im Rückblick auf die zurückliegenden zwei Jahrzehnte seiner Arbeit zeigt sich, dass nicht nur der Begriff des „Archivs“, sondern auch die genannten Verbindungen seiner Arbeiten zu den vorangegangenen Kunststilen der Moderne immer nur vorübergehend als Denkmodell für die Interpretation seiner Arbeiten taugen. De Weryha nutzt den Fundus der Moderne mit ihren vielfach verzweigten polnischen, deutschen und internationalen Entwicklungssträngen, um jene Tendenzen zu extrahieren, die ihm eine objektvierte Darstellung des von ihm verwendeten Materials Holz ermöglichen. Dadurch gelingt es ihm, diesen teils historischen, teils immer noch lebendigen Stilen und Bewegungen neue künstlerische Lösungen in dem von ihm bevorzugten Material hinzuzufügen.

Jan de Weryha-Wysoczański wurde 1950 in Gdańsk/Danzig geboren. Die Familie entstammt väterlicherseits einem galizischen Adelsgeschlecht, die Mutter hatte deutsche Vorfahren. Beide Eltern stammten aus Lemberg.[21] Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung in Danziger Bildhauerwerkstätten, um eine insgesamt vierjährige Wartezeit auf einen Studienplatz zu überbrücken. 1971 erhielt er nach einer Intervention beim Kulturministerium einen Studienplatz am Fachbereich Skulptur der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Danzig/Państwowa Wyższa Szkoła Sztuk Plastycznych w Gdańsku (PWSSP), der heutigen Akademie der Schönen Künste/Akademia Sztuk Pięknych w Gdańsku. Dort studierte er bis 1976, zunächst in der Bildhauerklasse von Alfred Wiśniewski, anschließend in der Klasse für Skulptur in der Architektur bei Adam Smolana, einem der bedeutendsten Professoren seines Fachs, bei dem auch Magdalena Abakanowicz studiert hatte. Beide Hochschullehrer waren Anfang der 1950er-Jahre mit der Wiederherstellung historischer Skulpturen in Danzig betraut und in den Bereichen Denkmalplastik, räumliche und architektonische Plastik, Keramik und Medaillenkunst tätig. De Weryha arbeitete nach seinem Examen freiberuflich und schuf Statuetten, Reliefs und Medaillen in Bronze und Keramik. Bis 1981 war er an der Wiederherstellung von historischer Bauplastik an den während des Zweiten Weltkriegs in der Danziger Altstadt zerstörten Bürgerhäusern beteiligt.[22]

Beruflich erfolgreich, verließ de Weryha Polen 1981 aus politischen Gründen noch vor der Ausrufung des Kriegsrechts zusammen mit seiner Frau Maryla, die polnische Philologie studiert hatte, und seinem Sohn Rafał und ging nach Hamburg. Dort beschäftigte er sich zunächst mit Zeichnungen, dann bis 1996 mit Malerei, kleinen bildhauerischen Formen und Medaillen in Bronze, Kupfer, Wachs und Polyester und arbeitete schließlich figürlich und abstrakt, gelegentlich auch großem Format, in Holz. Beim Bearbeiten großer Holzblöcke mit der Kettensäge und mit dem Handwerkszeug, so sagt er, bemerkte er die Schönheit und die abstrakte Qualität des roh belassenen Materials. Spuren dieser frühen Experimente sind noch in den Arbeiten von 1997 zu entdecken (Abb. 1-5). Von Anfang an in der Hamburger Kulturszene aktiv, eröffnete er 1998 in einer Halle des Ehemaligen Bundesbahn-Ausbesserungswerks in Hamburg-Harburg, einem 1883 errichteten und 1990 aufgegebenen Industriebau, der ihm von der Hamburger Kulturbehörde zur Verfügung gestellt worden war, ein Atelier.[23]

[21] Ausführliche Biographie bei Maryla Popowicz-Bereś 2014, Seite 5 ff. (siehe Anmerkung 16)

[22] Abbildungen auf der Webseite des Künstlers

[23] Ehemaliges Bundesbahn-Ausbesserungswerk in Hamburg-Harburg, Schlachthofstraße 1-3, http://www.hamburg.de/flaechenrecycling/142834/bundesbahn-ausbesserungswerk/; historische Aufnahmen des Ateliers auf der Webseite des Künstlers; Bianca Fischer: Jan de Weryha-Wysoczański: Alles Holz – Eine Hommage an Mutter Natur, in: Harburger Anzeigen und Nachrichten,  22. August 2002, Text online: http://www.kultura-extra.de/kunst/portrait/jan_de_weryha_a.html

1999 folgte der Entwurf für das Mahnmal in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Abb. 18a-c), das an die über sechstausend Polinnen und Polen erinnert, die nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands 1944 in das Konzentrationslager deportiert worden waren. Angeregt von der Hamburger Ortsgruppe des Bundes der Polen in Deutschland e.V., vom Künstler in ehrenamtlicher Arbeit entworfen und durch Spenden finanziert, wurde das Mahnmal im sechzigsten Jahr nach dem deutschen Überfall auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs unter der Schirmherrschaft des polnischen Generalkonsulats und der Polnischen Katholischen Mission von Hamburgs Kultursenatorin Christiana Weiss und in Anwesenheit des polnischen Schriftstellers Andrzej Szczypiorski eingeweiht. Im Jahr 2000 zeigte de Weryha im Rahmen einer Veranstaltungsreihe Kultur aus Polen in Hamburg im Bundesbahn-Ausbesserungswerk  die erste Ausstellung seiner bis dahin entstandenen Holzobjekte, die ebenfalls von Christina Weiss eröffnet wurde. Von 1998 bis 2005 entstanden im Harburger Atelier die auf dem Boden platzierten und in die Architektur eingefügten Arbeiten (Abb. 9-30, 38, 40, 41, 47-49), ab 2001 die an der Wand hängenden „Hölzernen Tafeln“ (Abb. 31-37, 39, 42-46).

2003 schrieb de Weryha über die zuletzt entstandene Werkgruppe: „Meine künstlerischen Überlegungen in den letzten Jahren konzentrieren sich auf die Erforschung des Materials Holz, auf das Begreifen seiner Struktur und seines Kerns, was zum denkbar höchsten Zustand führt, welcher auf dem Zelebrieren des Archaischen im Holz beruht. Alles fängt hier mit der Frage an, welche technischen Materialbearbeitungsmittel dem Künstler zur Disposition stehen und in welchem Ausmaß. […] Ich fange intuitiv mit folgender Fragestellung an: Inwiefern darf man mit dem Eingriff das Material beeinflussen, sodass es seine Identität nicht verliert. In der Praxis funktioniert dies durch die Einführung von strengen Regeln, die der Künstler in seiner empirischen Auseinandersetzung mit der Natur aushandeln muss. Es entstehen dann bestimmte Rhythmen, aber auch eine gewisse Monotonie. Diese beiden Erscheinungen thematisiere ich in einer anhaltenden Hervorhebung, welche mit einer pulsierenden Balance überrascht. Parallel dazu führe ich eine bestimmte Geometrie ein, voll von sachlichen Ausdrucksweisen, die mich bei der Minimal Art beeindrucken. Auf der anderen Seite interessiert mich das individuelle unwiederholbare Geflecht von künstlich geschaffenen, aber natürlich wirkenden Holzoberflächen, die kaum erkennbare Spuren der Werkzeugintervention bemerken lassen. Dieses ständige Geben und Nehmen zwischen der Natur und dem Künstler wird zu einem höchst sublimen und durchdachten Austauschprozess, der zur Grundlage meiner Handlungen wird, und die mir immer wieder auf überraschende Weise ganz neue Lösungsmöglichkeiten eröffnen. […] Manche der bis zu zehn Quadratmeter großen hölzernen Tafeln sind riesig, reliefähnlich, archaisch atmend und monumental wirkend und zeugen von Kraft und Erhabenheit. Jene neuen Wandarbeiten fallen vor allem durch eine stark entwickelte architektonische Ordnung und durch kraftvoll geladene Holzstrukturen auf, die in konkreten Rhythmen geschlossen sind. Diese sonderbare Konstellation, die unerwartete Ausdruckformen auftut, erlaubt mir aufs Neue, Holz als Material zu definieren.“[24]

[24] Jan de Weryha-Wysoczański: Ein paar Worte über meine neuesten Arbeiten „Hölzerne Tafeln“, 2003; online verfügbar auf http://www.kultura-extra.de/kunst/portrait/jan_de_weryha_a.html

Zum Ende des Jahres 2005 musste de Weryha sein Harburger Atelier aufgeben, da die Stadt Hamburg andere Pläne mit den historischen Gebäuden hatte. Daher entschied er sich schon zu Beginn des Jahres, die auf über fünfzig Objekte angewachsene Sammlung seiner Werke auf Reisen nach Polen zu schicken, von wo ihn inzwischen zahlreiche Einladungen für Ausstellungen erreicht hatten. Nach 24-jähriger Abwesenheit als Künstler konnte er umfangreiche Einzelausstellungen in der Patio Kunstgalerie/Patio Galeria Sztuki in Łódź, in der Galeria Szyb Wilson/Galerie Schacht Wilson in Katowice und 2006 im Centrum Rzeźby Polskiej w Orońsku/Zentrum für polnische Skulptur in Orońsko zeigen, zu denen Kataloge erschienen. Eine Einzelausstellung in der städtischen Galeria BWA (Biuro wystaw artystycznych) in Jelenia Góra und eine Präsentation zahlreicher Werke auf der XV. Internationalen Skulpturen-Triennale in Poznań folgten. Der Erfolg dieser Ausstellungen war so groß, dass 2008, 2011 und 2014 an Kunstfakultäten in Rzeszów und Radom drei Magisterarbeiten über den Künstler und sein Werk geschrieben wurden, die engen Bezug auf die öffentlichen Präsentationen nahmen.

In der Zwischenzeit erhielt de Weryha von öffentlichen Stellen in Hamburg das Angebot, das ehemalige Lagerhaus eines Museums im Stadtteil Bergedorf, in dem der Künstler und seine Familie seit der Übersiedlung aus Polen ansässig sind, zu übernehmen. Anfang 2007 eröffnete er in dem vierhundert Quadratmeter großen zweistöckigen Gebäude das bis heute existierende Galerieatelier, in dem er sowohl seinen Arbeitsbereich als auch die ständige Ausstellung seiner Werke etablierte. Bis 2008 zeigte er dort unter dem Titel Holz-Archiv rund siebzig Werke, von 2009 bis 2012 unter der Überschrift Tabularium jene Collection, die 2009 unter demselben Motto in der Städtischen Galerie in Danzig/Gdańska Galeria Miejskazu sehen war. 2012 erhielt der Künstler vom Hamburger Bezirk Bergedorf den Auftrag für das Mahnmal am Bergedorfer Schleusengraben, das an die Tausenden von Zwangsarbeitern aus allen Teilen Europas erinnert, die von den Nationalsozialisten in den Industriebetrieben von Bergedorf und dem Umland zur Sicherung der Kriegsproduktion eingesetzt worden waren (Abb. 72a-c). Seit 2013 ist im Galerieatelier eine ständige Ausstellung zu sehen, die Sammlung de Weryha, die bis heute auf über 230 Arbeiten angewachsen ist. Die musealen Räume (Abb. 94-97) sind regelmäßig für das Publikum geöffnet. Ein Förderverein, der Freundeskreis Sammlung de Weryha e.V., veranstaltet Land-Art-Workshops und Kunstreisen mit dem Künstler, organisiert Konzerte in der Sammlung und kümmert sich um die künftige Erhaltung des Bestands.[25] In Deutschland und Polen war der Künstler seit 1988 an zahlreichen Gruppenausstellungen beteiligt, zeigte seine Werke aber auch in den USA, in Luxemburg, in der Schweiz, in Belgien und England.

[25] Webseite des Fördervereins: https://freunde-de-weryha.de/

Wojciechowski hat 2005 auch eine ökologische Komponente in de Weryhas Werk ausgemacht. Dessen Objekte seien „keine Begriffsfiguren, keine rein konzeptuelle Stellungnahme“; die Geometrie spiele eine „dienende Rolle […] dank der die ‚Natur‘ sich klarer ausdrücken kann. Und vielleicht sind sie eine Art, die ‚Natur‘ zum Sprechen anzuspornen, ihre eigenen Eigenschaften aufzudecken, die im herkömmlichen Sinne unsichtbar sind.“[26] Und de Weryha ergänzte 2006 im Interview mit Mariusz Knorowski: „Das Holz als Stoff meiner Arbeit habe ich nicht ohne Grund gewählt. Es ist ein Werk der Natur, das nach seinem physischen Tod gewissermaßen ein neues Leben beginnt. Es duftet und verändert seine Farbe, es quillt an, trocknet aus. Die Kraft dieses Materials bewirkte, dass ich von ihm restlos beherrscht wurde und regte mich an, ihm treu zu bleiben trotz der heute sich anbietenden, wie es scheinen könnte – ‚aktuelleren‘ – Multimediatechniken.“[27]

Zwölf Jahre später, 2018, ist die Vielfalt künstlerischer Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten weltweit so groß geworden, dass ein Gegensatz oder eine Konkurrenz zwischen klassischer Bildhauerei, möglicherweise ökologisch inspirierter Kunst, auf elektronischem Wege produzierten Arbeiten oder ganz anderen Positionen nicht mehr bestehen. „Multimedia“ bezeichnet heute an Kunsthochschulen und Akademien vielmehr die Arbeit mit allen nur denkbaren Materialien. In dieser vielfältig gewordenen Welt behauptet de Weryha mit seinem Werk, das in zahlreichen Traditionen steht, dennoch ein in sich geschlossenes Bild bietet und auch in Bezug zur heutigen Ökologiedebatte aktuell ist, eine künstlerisch einmalige Position von herausragender Qualität.

Axel Feuß 

 

 

Literatur:

Jan de Weryha-Wysoczański. Holzobjekte 1999-2000, Ausstellungs-Katalog Ehemaliges Ausbesserungswerk der DB, Hamburg 2000. Darin: Helmut R. Leppien: Der Natur gleich nah und fern

Strenges Holz. Heiner Szamida, Helga Weihs, Jan de Weryha, herausgegeben von Daniel Spanke, Ausstellungs-Katalog Kunsthalle Wilhelmshaven, Bielefeld 2004 (darin: Daniel Spanke: Anti-Rustika)

Jan Stanisław Wojciechowski: Jan de Weryha-Wysoczański. Epifanie natury w późno-nowoczesnym świecie. Oiekty z drewna Jana de Weryha-Wysoczańskiego/Epiphanies of nature in late-modern world. Jan de Weryha-Wysoczański’s objects in wood, Ausstellungs-Katalog Galeria Szyb Wilson, Katowice 2005

Jan de Weryha-Wysoczański. Drewno-archiwum, Ausstellungs-Katalog Patio Galeria Sztuki, Łódź 2005. Darin: Urszula Usakowska-Wolff: Archiwum bezczasowej czasowości/Archive of timeless time finiteness

Mieczysław Szewczuk: Jan de Weryha-Wysoczański, in: Kwartalnik Rzeźby Orońsko, 1-2 (58-59), Orońsko 2005, Seite 10-13

Jan de Weryha-Wysoczański. Objawienia w drewnie, Ausstellungs-Katalog Centrum Rzeźby Polskiej w Orońsku/Zentrum für polnische Skulptur, Orońsko 2006. Darin: Mariusz Knorowski: Objawienia w drewnie/Offenbarungen in Holz [Interview mit dem Künstler]

[26] Jan Stanisław Wojciechowski 2005, S. 6 f./10 f. (siehe Literatur; Text online verfügbar auf der Webseite des Künstlers, polnisch, Seite 4/englisch, Seite 4)

[27] Jan de Weryha im Interview „Offenbarungen in Holz“ mit Mariusz Knorowski 2006 (Ausstellungs-Katalog Jan de Weryha-Wysoczański. Objawienia w drewnie, Orońsko 2006, Seite 3/7)

Maja Ruszkowska-Mazerant:  Jak powstaje prywatne muzeum? – Rozmowa z Panem Janem de Weryha-Wysoczańskim (dt. Wie entsteht ein privates Museum? – Ein Gespräch mit Jan de Weryha-Wysoczański), in: Purpose – Przedsiębiorczość w kulturze, Nr. 42, März 2008; auf Englisch online: Workshop. How is a private museum set up? https://purpose.com.pl/en/archive/mag-nr_42/workshop/mag-how_is_a_private_museum_set_up.html

Dorota Grubba: Gdy postawa staje się formą/When an Approach Becomes a Form, in: EXIT. Nowa sztuka w polsce/New Art in Poland, Nr. 2 (66), Warschau 2006, Seite 4112-4115

Magdalena Kościelniak: Jan de Weryha-Wysoczański – Archiwista Drewna, Magisterarbeit an der Kunstfakultät der Universität Rzeszów, 2008 (eine deutsche Übersetzung auf der Webseite des Künstlers)

Tabularium. Jan de Weryha-Wysoczański, Ausstellungs-Katalog Gdańska Galeria Miejska, Gdańsk 2009. Darin: Grażyna Tomaszewska-Sobko: W okowach percepcji/In den Fesseln der Wahrnehmung; Katarzyna Rogacka-Michels: Szorstkie drewno/Raues Holz

Aleksandra Warchoł: Wystawa jako dzieło sztuki, na podstawie twórczości Jana de Weryhy-Wysoczańskiego (dt. Die Ausstellung als Kunstwerk, anhand des Schaffens von Jan de Weryha-Wysoczański), Magisterarbeit an der Kunstfakultät der Universität für Technologie in Radom/Politechnika Radomska im. Kazimierza Pułaskiego, Radom 2011 (darin: Interview mit dem Künstler; eine deutsche Übersetzung auf der Webseite des Künstlers)

Maryla Popowicz-Bereś: Jan de Weryha-Wysoczański. Monografia artysty, Magisterarbeit im Fachbereich Bildende Kunst der Universität Rzeszów, 2014  (eine deutsche Übersetzung auf der Webseite des Künstlers)

 

Online:

Webseite des Künstlers mit Werkübersicht, Ausstellungen, Biographie und Literatur: http://www.de-weryha-art.de/

Sława Ratajczak: Arboretum duszy mojej – o znanym w Niemczech rzeźbiarzu polskim Janie de Weryha-Wysoczańskim (2011), auf Polonia Viva, http://poloniaviva.eu/index.php/pl/?option=com_content&view=article&id=125:arboretum-duszy-mojej-o-znanym-w-niemczech-rzebiarzu-polskim-janie-de-weryha-wysoczaskim&catid=9:artyku&Itemid=4

Helga König im Gespräch mit dem Künstler Jan de Weryha-Wysoczanski (2015), auf: Interviewseite Helga König und Peter J. König. Buch, Kultur und Lifestyle, http://interviews-mit-autoren.blogspot.de/2015/03/helga-konig-im-gesprach-mit-dem.html